Die Bickenbacher Glocken
Die drei Glocken im Turm der Bickenbacher Kirche haben alle ihre eigene Geschichte.
Die älteste Glocke ist die mittlere. Sie wurde1628, also im dreißigjährigen Krieg gegossen, nachdem beim Brand der Kirche 1622 die vorhandenen Glocken zerstört worden waren. Ihre Inschrift lautet: „Gregorius Hassiae princeps FF mense Majo 1628. M. David Stumpffius. Praetor Johannes Quickius“ - übersetzt: „Georg Fürst zu Hessen ließ mich machen im Mai 1628. Magister David Stumpff. Schultheiß Johannes Quick.“ Außerdem sind auf der Glocke noch Wappen und Kreuz angebracht. Diese Glocke bekam einen Sprung am Rande, so dass der Schmied Jakob Bröher ein Stück herausbohren musste, das seitdem fehlt. Das ist vor 1840 geschehen, denn das ist das Sterbejahr des Schmiedes. Seitdem klingt die Glocke nicht mehr ganz rein.
Die zweite, größte Glocke wurde 1631 von Hans Quick und seiner Frau Anna Marie gestiftet. Die Sage berichtet, dass die Stifterin beim Guss eine ganze Schürze voll Krontaler in die Schmelze geworfen hat. Die jetzt im Turm vorhandene große Glocke ist aber nicht mehr die originale, denn durch unvorsichtiges Läuten bekam sie einen Sprung und musste 1847 umgegossen werden, wobei sie von ihren 1353 Pfund 99 verlor. Sie trägt die Inschrift: „Hanns Quick, Schultheiß und seine Hausfrau Anna Marie haben mich hierher machen lassen. 3. April 1831.“ Nach dem Umguss wurde zusätzlich angebracht: „Umgegossen für die Gemeinde Bickenbach Karl Otto in Mainz. Töne lange zum Lobe Gottes und zum Segen derer, die deinem Ruf folgen.“ Auch auf dieser Glocke sind noch Wappen und Kruzifixe angebracht. Im 2. Weltkrieg (1942) musste diese Glocke abgeliefert werden. Zum Glück ist ihr das Los erspart geblieben, als Kanonenrohr zu enden, sie kam 1947 wieder zurück. An dieser Glocke schlägt übrigens ein Hammer die Stunden.
Der Glockenstuhl war schon immer für drei Glocken eingerichtet gewesen, es fehlte eine kleine. Eine dritte Glocke wurde aber erst 1885 von dem kinderlosen Johann Philipp Ahl nach dem Tode seiner Frau gestiftet. Sie trug die Inschrift: „Wer meinem Rufe folgt, wird nicht zu Schanden werden. Stiftung von Johann Philipp Ahl I., geboren 1805, für die Kirchengemeinde Bickenbach. Mich goß Andreas Hamm zu Frankenthal, Gießer der Kölner Kaiserglocke.“ Diese Glocke musste im ersten Weltkrieg abgeliefert werden. Erst 1937 wurde wieder eine dritte Glocke gestiftet von Katharina Rau geborene Leichtweiß; gegossen wurde sie bei Gebr. Rincker in Sinn. Dieser Glocke war kein langes Leben beschieden, sie musste im 2. Weltkrieg abgeliefert werden und kam nicht mehr zurück. Die jetzige kleinste Glocke ist der Spendenfreudigkeit Bickenbacher Bürger zu verdanken und dem Sammeleifer der Frau des damaligen Pfarrers Dr. Hild. Sie wurde 1953 bei Gebr. Rincker in Sinn gegossen und trägt die Inschrift: „Ich bin die dritte Glocke im Turm. Meine Schwestern raubte der Kriege Sturm. O Land, Land, Land, höre des Herren Wort! Gestiftet von der Gemeinde Bickenbach und ehemaligen Bürgern der Gemeinde in Amerika.“ Das Bibelwort in der Inschrift ist aus Jeremia 22, 29. Im vergangenen Jahr 2003 waren es zur Kerb genau 50 Jahre seit der Weihe, und wir haben in einem „etwas anderen“ Gottesdienst daran erinnert.
1961 hat die bürgerliche Gemeinde eine elektrische Läuteanlage angeschafft, so dass nun wohl keine Sprünge in den Glocken mehr durch „unvorsichtiges Läuten“ zu befürchten sind. Allerdings sind die Glocken auch ein erheblicher Kostenfaktor für die Kirchengemeinde: jährlich muss eine Glockenwartung durchgeführt werden, und meistens ist etwas zu erneuern. So sind die Klöppel mit dickem Leder aufgehängt, das nicht ewig hält, und vor einigen Jahren ist ein Klöppel in seiner Aufhängung gebrochen und musste erneuert werden.
Wann läuten die Glocken?
Werktags um 10 und 11 Uhr und um 17 Uhr, am Samstag um 18 Uhr zur Einleitung des Sonntags, und dann sonntags um 9 Uhr, 9.30 und vor 10 Uhr zum Gottesdienst, zum Vaterunser, sowie zu Hochzeiten, Begräbnissen und anderen kirchlichen Veranstaltungen.
Das 10- und 17-Uhr-Läuten scheint noch aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges als Aufruf zum Friedensgebet zu stammen. In „alten Zeiten“ wurde um 4 Uhr, 11 Uhr und 20 Uhr geläutet. Ab 1594 wurde dann um 12 Uhr zum Gebet gegen die drohende Türkengefahr geläutet.
Was läuten nach dem Volksmund die Glocken? „Der Sand ist mein bis an den Rhein“.
Quellen: Chronik von Pfr. Göhrs (Bickenbacher Magazin 1996, Heft 59), Festschrift zur Wiedereinweihung der Kirche nach der Renovierung 1979 (Pfr. Koch), Chronik „Bickenbach uffm Sand“.
Martin Müller
Unsere Glocken
»Horch — von fern ein leiser Glockenton" könnte es in einem Frühlingslied geheißen haben. Ob wir unsere Glocken leise oder laut wahrnehmen, hängt von unserem Standpunkt ab — und woher der Wind weht. Aber was wissen wir überhaupt von unseren Glocken?
Schon 1555 sind 2 Glocken erwähnt, sie müssen einen wunderbaren Klang gehabt haben. Bei einem Brand 1622 sind sie zerborsten, aus ihren Resten und Mitteln des Landgrafen wurde unsere zweitgrößte Glocke gegossen. Diese Glocke hängt noch heute im Turm, leider ist nach einem Sprung eine Ecke herausgebrochen, das hat den Klang verändert. Eine zweite, größere Glocke stifteten 1631 der damalige Schultheiß Johannes (Hans) Quick und seine Frau. Sie hat alle bisherigen Kriege überstanden. Erst 1885 bekam Bickenbach eine dritte Glocke, von Joh. Philipp Ahl gestiftet. Im 1. Weltkrieg musste diese Glocke abgegeben werden. 1937 gab es wieder eine 3. Glocke, gestiftet von der Witwe Katharina Rau geb. Leichtweiß (ihr Grabstein ist noch auf dem Friedhof zu sehen). Sie kostete 821 Mark.
Im 2. Weltkrieg musste wieder die kleine Glocke abgeliefert werden, diesmal aber zusätzlich auch die größte — die Quick-Glocke. Vielleicht können sich die Älteren unter uns noch daran erinnern. Die große kehrte 1947 unversehrt zurück. Erst 1953 war das Geld für eine neue 3. Glocke zusammengekommen, eine Haussammlung, von Frau Pfarrer Hild veranstaltet, erbrachte 1575 DM, ehemalige Bürger der Gemeinde, jetzt in Amerika lebend, beteiligten sich daran, insgesamt waren 2700 DM nötig. Damit hatte Bickenbach wieder ein 3-stimmiges Geläut.
Nun zu der oft gestellten Frage: Warum läuten die Glocken zu bestimmten Zeiten? Anfangs ertönten die Glocken früh um 4 Uhr, mittags um 11 Uhr und abends um 20 Uhr, sie gaben also sicher für die bäuerlich geprägte Gemeinde Beginn, Pausen und Ende des Arbeitstags vor, Uhren gab es ja noch nicht. Um 1594 wurde das Läuten um 12 Uhr angeordnet als Aufforderung zum Gebet gegen die drohende Türkengefahr. Und schließlich wurde 1631 im 30-jährigen Krieg das Läuten um 10 Uhr vormittags und um 17 Uhr nachmittags eingeführt als Aufforderung zum Gebet für den Frieden. Diese Läutezeiten — 10 Uhr, 11 Uhr und 17 Uhr, sind bis heute erhalten geblieben. Vielleicht sollten wir uns zumindest um 10 Uhr und 17 Uhr an den ursprünglichen Anlass — das Gebet für den Frieden — erinnern lassen. Am Samstag wird dann um 18 Uhr der Sonntag eingeläutet. Und natürlich hören wir die Glocken auch zu den Gottes-diensten, bei Trauungen und Sterbefällen.
Interessant ist auch: Wie schwer ist so eine Glocke? Von der großen Glocke wissen wir, dass sie 1353 Pfund wog und beim Umguss nach einem Sprung 99 Pfund verloren hatte. Und wer hatte für das Läuten (natürlich per Hand, erst 1961 wurde eine elektrische Läuteanlage angeschafft) zu sorgen? Es gab schon immer einen „Glöckner'; seine Vergütung bestand im eigenen Ackerland, in Naturalien, bei besonderen Anlässen gab es auch Geld, und er hatte Freiheit von verschiedenen Zahlungen an die Gemeinde. Später waren auch Gemeindeglieder am Läuten beteiligt. Während meiner Küsterzeit habe ich oft beim Läuten von älteren Einwohnern gehört: „Das hab' ich früher auch gemacht". Ich nehme an, dass das Läuten vor dem Gottesdienst über viele Jahre von den Konfirmanden übernommen wurde, die wohl auch ihren Spaß an dem Schwingen am Glockenseil gehabt hatten.
Gisela Felber
Eine zusätzliche Ergänzung ist das Corona-Läuten täglich um 19:30 Uhr. Hier haben wir geplant, es wieder nach Beendigung der Pandemie einzustellen.
Anmerkung der Redaktion