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Was ist so faszinierend an der Orgel?

Ein Blick auf und in unsere Kirchenorgel

Text: Birgit Köhler-Günther, Fotos: Oskar Günther

Wer in der Kirche von unten auf die Empore über dem Altar schaut, sieht die Vorderseite der früheren Barockorgel von 1705. An drei Stellen der schön verzierten Vorderseite (Prospekt) der Orgel sind gut sichtbar verschiedene Pfeifen aufgereiht: diese Orgelpfeifen sind aber nur Attrappen.

Alle Orgelpfeifen, aus denen die Töne kommen, stehen im durchlässigen Gehäuse, in das man auch von der Empore aus hineinschauen kann. 

1905 hat der Orgelbauer Walcker aus Ludwigsburg für 4.200 Mark die zweite modernere Orgel errichtet und die Subbaß-Pfeifen der alten Barockorgel übernommen. Die heutige Orgel baute die Berliner Orgelbaufirma Schuke 1977 für 120.000 DM.

 

Es ist nicht zu sehen, wer gerade die Orgel spielt und dabei “alle Register zieht”.

Der Spieltisch unserer Orgel hat zwei Tastenreihen (Manuale von manus = die Hand) und damit zweimal 56 Tasten. Die sind offen und gut zu sehen, also nicht mit einer Klappe verschlossen, wie bei manchen anderen Orgeln oder beim Klavier.

OGBlick auf die Orgel
Blick auf die Orgel

Warum ist bei der Orgel kein Ton zu hören, obwohl eine Taste herunterdrückt wird?

Die Orgel ist ein Blasinstrument und braucht Luft, um einen Ton zu erzeugen.

(Bei den alten Orgeln wurde die Luft mit einem großen Blasebalg erzeugt, heute macht das ein Elektromotor.) Die Luft (Wind) wir dann in vielen Kanälen zu den Pfeifen geleitet. Aber eine Orgelpfeife ertönt erst dann, wenn der Zugang zu einer Orgel-Pfeifenreihe (mit einem Hebel / Register) geöffnet wird. Wenn viele Register gleichzeitig gezogen sind, ertönt die Orgel wie ein Orchester oder ein Chor von Blasinstrumenten.

OGZwei Manuale
Zwei Manuale

Unsere Orgel hat 15 Register, (eine Reihe vom tiefsten bis zum höchsten Ton) von Pfeifen der gleichen Bauart, Klangfarbe und Lautstärke. Es gibt Orgelpfeifen aus Zinn, Bleilegierungen, Metall und Holz. Ein einzelner Orgelregister kostet (als Neubau je nach Größe, Material und Bauart) derzeit zwischen 5.000 und 20.000 Euro.

Die Größe einer Orgelpfeife wird in “foot” gemessen. (1 '  foot = ca. 30 cm).

Unsere kleinste Flöte ist die Quinte 1 1/3 ' mit weniger als 2 cm und piepst wie eine Vogelstimme.

die tiefsten und größten Orgelpfeifen sind das große C beim Subbaß 16'und dem Fagott 16' (16 x 30,48 cm = 478,8cm).

OGRegister ziehen
Register ziehen

Mit dieser Länge von fast 5 m würden sie aber nicht auf die Empore passen. Wenn die Pfeife aber wie eine Posaune gebogen oder oben geschlossen wird, („gedackt“ ist), reicht die Hälfte der Länge aus. Durch diese Bauweise können Platz, Gewicht, Material und Kosten gespart werden.

Experiment: Blase in eine normale Blockflöte nur durch den Flötenkopf und verschließe dann langsam die Flöte mit der Handfläche unten ganz. Der Ton wird dabei immer tiefer, genau doppelt so tief wie vorher. Das Experiment geht auch mit einem offenen Rohr, über dessen Rand man wie bei einer Glasflasche bläst und dann die untere Öffnung zuhält.

OGOrganist auf der Orgelbank
Organist auf der Orgelbank

Das Pedal:

“Pedal” nennt man die großen Holztasten unter der höhenverstellbaren Sitzbank. Die 30 Pedale reichen über 2 1/2 Oktaven. Sie werden mit dem Fuß (Spitze und Ferse) gespielt bzw.  „getreten“, (daher der Name Pedal) und die Sitzbank ist höhenverstellbar.

Die 15 Register der Bickenbacher Orgel

Pedal (P)

1    Subbaß 16’

2    Principalbaß 8’

3    Hohlflöte 4’

4    Fagott 16’.

Unteres Manual (I)

5    Principal 8’

6    Rohrflöte 8’

7    Octave 4’

8    Octave 2’

9    Sesquialter 2-fach

10  Mixtur 3-4 fach 

11  Oboe 8’

Oberes Manual II

12   Gedeckt 8’

13   Holzprincipal 4’

14   Feldpfeife 2’

15   Quinte 1 1/3‘

Der Trick beim Orgelspiel ist, dass jedes Register einzeln spielbar und mit jedem anderen zu kombinieren ist.

OGPedal und Koppeln
Pedal und Koppeln

Das I. und II. Manual können zusammengekoppelt werden.

Das I. und II. Manual kann jeweils mit dem Pedal gekoppelt werden.

Wer die Orgel spielt, entscheidet, mit welchem Register das einzelne Musikstück erklingen soll

Unsere Kirchenorgel hat mit ihren 15 Register (+2 mit doppelten Pfeifenreihen) etwa 1000 Pfeifen). Mit den einzelnen Register und Kombinationen hat die Orgel als “Königin der Instrumente” unendlich viele Möglichkeit der Klangkombination und hört sich wie ein Orchester an.

OGBlick in das Orgelgehäuse
Blick in das Orgelgehäuse

Die unterschiedlichen Pfeifen stehen im Orgelgehäuse ganz dicht nebeneinander in Reihen, wie bei einer Panflöte. In das Orgelgehäuse muss man hineinsteigen, um die Pfeifen zu stimmen, zu reparieren, zu reinigen und die Luftfeuchtigkeit zu regulieren.

OGStimmteile an Pfeifen
Stimmteile an Pfeifen

Die Aufgabe der Orgel im Gottesdienst

Zwischen dem 12. und 15. Jhd. entwickelte sich die Orgel zum Hauptinstrument der christlichen Liturgie. Die ersten Orgeln dienten mehr dem Vor- und Nachspiel oder Zwischenspiel.

Die Gemeinde wechselte sich mit dem Chor oder mit einzelnen Vorsängern bei den liturgischen Gesängen ab. Erst als sich im 17. Jhd. im dreißigjährigen Krieg viele Chöre auflösten, war man gezwungen, die Chorstimmen mit der Orgel zu spielen und so den Gemeindegesang zu stützen.

Heute werden Gottesdienste, Hochzeiten und Beerdigungen mit Orgelmusik begleitet.

Die in Bickenbach jährlich gehaltenen ca. 70 Gottesdienste teilen sich Gerald Kilgus, Birgit Köhler-Günther und Christiane Schmidt.

OGOrgelteam mit Pfeife
Orgelteam mit Pfeife

Wer nach dem Gottesdienst einen Blick in das Innenleben der Orgel werfen will, bekommt dies sicher von einem Orgelteam-Mitglied gezeigt.

OGOrgel Team
Orgel Team

Geschichte der Orgel:

“Das erste orgelartige Instrument wurde um 246 v. Chr. in Alexandrien konstruiert.

Und die Römer übernahmen danach die Orgel als rein profanes Instrument für Darbietungen in ihren Arenen. Im byzantinischen Reich wurde die Orgel zu einem wichtigen Instrument für die kaiserlichen Zeremonien. Damit rückte sie in die Nähe der kirchlichen Feierlichkeiten.

Vermutlich die erste in Westeuropa hergestellte Orgel ließ der Sohn Karls des Großen im Jahr 826 für seine Pfalz in Aachen  anfertigen.

Im Laufe des 9. Jahrhunderts begannen die ersten (Bischofs-)Kirchen in Westeuropa, sich Orgeln anzuschaffen, Klosterkirchen wohl erst ab dem 11. Jahrhundert. Die Kirchenorgel war zunächst ein Statussymbol, erst mit der Gotik entwickelte sie sich allmählich zum Hauptinstrument der christlichen Liturgie. Im Mittelalter entstand auch die erste Kleinorgel, das Portativ.

Das 14. und 15. Jahrhundert brachte wichtige Neuerungen. Mit Erfindung der Schleiflade und Springlade kamen einzeln wählbare Register, Manual-Tastaturen und einzelne (Teil-)Werke auf. 

In der Hochrenaissance entwickelten sich voll ausgebaute Orgeln. Das Klangideal orientiert sich an der damals üblichen Ensemblemusik auf gleichartigen Instrumenten. So stehen Prinzipale, Mixtur und Zimbel für den eigentlichen „Orgelklang“. Dazu kommen zahlreiche Register, die den Klang der damals üblichen Instrumente, nachahmen sollen, vor allem von Flöten, Rohrblatt- und Blechblasinstrumenten.

Im 17. und 18. Jahrhundert erreichte der Orgelbau in einigen europäischen Ländern eine große Blüte. Im 19. Jahrhundert bekam man mit der romantischen Orgel ein neues, vollkommen anderes, orchestrales Klangideal. Spätestens seit Ende des 19. Jahrhunderts wurden vermehrt Orgeln in Konzertsälen und Anfang des 20. Jahrhunderts auch in den mit dem Stummfilm aufkommenden Lichtspielhäusern  (Kinoorgel) gebaut. Die Orgeln für Konzertsäle zeigten bereits erste Tendenzen der Universalorgel.

Die nominell größte Orgel der Welt, die Orgel der Atlantic City Convention Hall, in der Boardwalk Hall (erbaut 1929 bis 1932, jedoch bis heute nicht vollständig funktionstüchtig) mit 337 Registern bei 449 Pfeifenreihen (ranks) und rund 32.000 Pfeifen.

Die nominell größte Orgel der Welt steht in der  Atlantic City Convention Hall, in der Boardwalk Hall (erbaut 1929 bis 1932, jedoch bis heute nicht vollständig funktionstüchtig). Sie hat 337 Registern bei 449 Pfeifenreihen und rund 32.000 Pfeifen.” (Auszüge aus Wikipedia)

OGOrgel
Orgel

Orgelexperten sagen zur Faszination Orgel:

“Die Orgel macht die nicht fassbare Dimension des Unendlichen hörbar. Keine Stimme, kein anderes akustisches Musikinstrument kann, losgelöst von der Anstrengung des Bogenstrichs oder Atmenmüssens ähnlich lang ausgehaltene Töne produzieren. Gleichwohl symbolisiert die Angewiesenheit des Spielers auf den Lufterzeuger die Abhängigkeit des Menschen vom Lebensatem Gottes. ... 

.Viele Jahrhunderte lang war die Orgel das einzige Instrument, dessen Tonumfang dem Hörspektrum des Menschen entsprach; kein anderer künstlicher Klangerzeuger konnte tiefere oder höhere Töne erzeugen. Für den Bereich der nichtelektronischen Musikinstrumente gilt dies nach wie vor.”

www.orgelexperte.de

Quellen:

Keller – Orgelschule, Flor Peeters: Ars Organi, Reinhard Sillus und Lothar Koch: Die Orgel der evangelischen Kirche in Bickenbach aus: Festschrift Wiedereinweihung der Ev. Kirche Bickenbach am 28.10.1979

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